Welcome to the Tempodrom - Holly Johnson live in Berlin (19.05.25)
- djjolly
- vor 13 Stunden
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Der 07.05.23 sollte in Liverpool ein musikhistorisches Ereignis werden. Im Rahmen des European Song Contest wurden fünf Söhne der Stadt laut Website des ESC nach genau 36 Jahren zum ersten Mal wieder gemeinsam auf der Bühne stehen und „einige Songs“ performen : Frankie goes to Hollywood – die legendäre Skandalband um Sänger Holly Johnson und Tänzer Paul Rutherfurd. Wilde Spekulationen um eine neue gemeinsame Tour oder gar ein neues Album machten die Runde. Eine Reunion scheiterte 36 Jahre lang an Sänger Holly Johnson, der diese kategorisch und unmissverständlich in zahlreichen Interviews ausschloss. Der Euphorie der Fans folgte jedoch die große Ernüchterung : Keine Pressekonferenz, keine Interviews und lediglich ein einziger Song (Welcome to the Pleasuredome) wurde performt. Natürlich mag der eine oder andere hierbei feuchte Augen bekommen haben – doch hatte man eigentlich mehr erwartet. Die fünf Musiker gingen von der Bühne, verstreuten sich bald wieder über die Kontinente und versanken wortlos wieder in der Versenkung. Bis auf Holly Johnson, der ein Jahr später zur „40 Years of Welcome to the Pleasuredome“ Jubiläumstour die Hallen füllte.

2025 kamen auch die deutschen Fans endlich wieder in den Genuss, Holly Johnson in sechs deutschen Städten bei seiner „Best of“ Tour live zu erleben. Am 19.05. verwandelte er in Berlin das Tempodrom zum Pleasuredome und lud die Fans zur Zeitreise in die 80er ein. Und mit der fast vierzehnminütigen Albumfassung von „Welcome to the Pleasuredome“ (zuzüglich dem Intro „Snatch of Fury“) ging es sofort schon zu Beginn in die Vollen ! Umgangssprachlich wird „Pleasuredome“ übrigens im britischen Sprachraum als die männliche Eichel bezeichnet. Freilich war die Ü50-Fraktion sofort aus dem Häuschen und feierten die Rekatapultion mitten in die 80er als gäbe es kein morgen mehr.

Was die Begleitband des 65-jährigen von den damaligen Frankie-Jungs unterschied: Sie hatten tatsächlich etwas drauf ! Skandalproduzent und 80er-Ikone Trevor Horn (u.a. nebst Frankie noch Produzent der Simple Minds, ABC, Propaganda, Pet Shop Boys etc.) entdeckte zwar das Hitpotential der Songs, ebenso jedoch das erschreckend schwache Talent der Musiker. Horn peppte die Frankie-Songs im ZTT-Studio ordentlich auf und verlieh den songs den damals revolutionären und bombastischen FGTH-Sound, deren Komplexität die Frankie-Jungs jedoch heillos überforderte. So nahm Trevor Horn die Songs mit professionellen Studiomusikern auf. Auf der Bühne spielten O’Toole, Nasher und Gill in all den Jahren nur das Playback dazu.

Und dann war da eben noch Paul Rutherfurd, der Andy Fletcher von Frankie goes to Hollywood. Wenigstens durfte er ab und an etwas mitsingen.
Der einzige der live liefern musste – weil er es konnte – war Holly Johnson. Gleich 10 Songs vom legendären „Welcome to the Pleasuredome“ Album kamen im nicht ganz ausverkauften Tempodrom zum Einsatz und mit „Happy Hi“ (B-Seite der Single von „Welcome to the Pleasuredome") sogar eine faustdicke Überraschung, wenngleich dies nun nicht zu den stärksten Songs der Truppe gehörte. Dafür wurde an diesem Abend „Warriors of the Wasteland“ schmerzlich vermisst – die einzige der sieben Frankie-Singles, die an diesem Abend leider ausgespart wurde. Holly schwadronierte charmant über Limahl und Formel 1 und ging des Öfteren in Kommunikation mit den Fans der vorderen Reihen.

Bei „Rage Hard“ quält sich der Brite sichtlich in die Höhen im Refrain– doch die Qual lohnt sich: Er schafft auch die Höhen, trifft die Töne noch perfekt uns setzt die Franke-typischen Ausrufe („Ha ! Ouu-Ouu-Ouu ! Hua !“) an die richtige Stelle. Ein ums andere mal wirkt er nach den songs aber bedenklich geschafft und außer Atem. Die sechs Solo-Nummern im Mittelteil der Show (u.a. Love Train und Americanos) – geschenkt. Zum großen Finale gab es noch „Two Tribes“ und „Relax“ und plötzlich waren die Fans wieder hellwach und da. Im Glitzeranzug mit funkelnden Sternen und einer Lederkrone war der einzigen Zugabe – The Power of Love – nichts mehr hinzuzufügen. Johnsons Stimme schmetterte durch das Tempodrom, gekonnt hielt er die langen hohen Töne auch hier ohne Verlust und verzauberte Berlin in einen Hauch von Weihnachten mitten im Mai. Egal was danach kommen sollte – es wäre ein Abfallen gewesen. Daher war nach 90 Minuten und „The Power of Love“ auch Schluss.

An diesem Abend wurde klar, warum Holly Johnson einer Reunion von FGTH eine Absage erteilt. Denn er hat die Wahl zwischen einer untalentierten Begleitband, die nur zu Playback spielen kann (während er sich oft quälen muss) und fünf phantastischen Profimusikern, die nach Belieben sogar die Instrumente (Keyboard, Gitarre, Saxophon..) wechseln, singen und liefern können. Zudem fällt der Löwenanteil der Gagen natürlich an ihn selbst. Vorteile hätte eine Reunion von „Frankie goes to Hollywood“ für Holly Johnson keine – jedoch jede Menge Nachteile. Warum dieser einmalige Auftritt der Band in Liverpool beim ESC doch stattfand und Holly für fünf Minuten zum Umdenken bewegte – darauf könnte Cyndi Lauper mit einem ihrer Songs eine Antwort liefern: Money changes everything.
Einen Zusammenschnitt der Highlights des Konzertes könnt ihr hier sehen: https://www.youtube.com/watch?v=ISFRwQiJFxM
Bericht und Fotos : Jolly von Hayde
Setlist:
1.) Snatch of Fury (Stay)
2.) Welcome to the Pleasuredome
3.) Black Night, White Light
4.) Rage Hard
5.) Happy Hi
6.) Wish (the Lads were here)
7.) Americanos
8.) Atomic City
9.) Heaven’s here
10.) Love Train
11.) Penny Arcade
12.) Watching the Wildlife
13.) Born to run
14.) War
15.) Two Tribes
16.) Relax
17.) The Power of Love (Zugabe)

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