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Bericht vom "Dark Spring Festival" 2024 in Berlin (Je t'aime, Golden Apes, The City Gates u.a.)

Im Herzen Kreuzberg befindet sich so mache Location, in welcher der Berliner Underground noch lebt und auch für die schwarzen Szene ein Wohnzimmer stellt. Irgendwo zwischen dem "Privatclub" und dem "Reset Club" nimmt das Berliner LIDO hier eine herausragende Stellung ein. Das "Dark Spring Festival" bot am Abend des 20.04.24 den circa 450 Besuchern gleich ein achtstündiges Postpunk-Spektakel mit sechs Bands aus sechs Ländern und vier Kontinenten, welches sich auch so manch Stuttgarter/-in nicht nehmen ließ.




Den Auftakt kurz vor 19 Uhr bestritten "VV and the Void" aus Melbourne. Die Australier hatten die undankbare Aufgabe des Anheizers als es draußen noch taghell war und sich im LIDO gerade erst ca. 150 Besucher verloren. "VV" steht für Sängerin und Frontfrau Valentina Veil, die mit Alex Lee an den Maschinen Unterstützung auf der Bühne genießt. Nicht alle konnte das Duo mit ihren tragend-apokalyptischen Sound erreichen. Endzeitstimmung am frühen Abend, kreischend-krachende Stellen wechselten mit düster-ruhigen Passagen an. So mancher fühlte sich stilistisch sehr an "The Cranes" erinnert. Vor allem stimmlich und gesanglich überzeugte Valentina Veil an der Gitarre in Berlin und hätte definitiv mehr Publikum verdient gehabt.




Mit "UnderTheSkin" als zweiten Act des abends lieferte das Festival gleich schon einen Hochkaräter innerhalb der Postpunk-Szene - taktisch klug, denn zu diesem noch frühen Zeitpunkt war der Club dann prompt auch schon bestens gefüllt und mit "Poison" starteten die Polen noch etwas ruhiger, bevor es dann in die Vollen ging. UnderTheSkin räumten mit dem Vorurteil auf, dass Postpunk-Konzerte gewöhnlich eine recht stoische, statische und unspektakuläre Angelegenheit seien. Insbesondere die mit viel Leidenschaft vorgetragene Performance von Mariusz Łuniewski zog die Berliner Gäste rasch in ihren Bann und sein exzentrisches Gitarrenspiel löste Begeisterungsstürme aus, woran auch die Probleme mit der lieben Technik während der Performance nichts änderten. Das Trio ließ keine Wünsche offen und verabschiedete sich sichtlich überglücklich nach knapp einer Stunde Spielzeit.



Spätestens seit "Ductape" aus Ankara haben "She past away" nicht mehr den Exoten-Status als einzig türkische Gothic/Postpunk Band, wobei Ductape ihre Texte bevorzugt auf Englisch halten. 2021 veröffentlichten Sängerin Çağla Güleray (Gesang, Synths) und Furank Güleray (Bass, Gitarre,Drums) ihr Debut-Album. Der erhoffte Pusch in der Istanbuler Underground-Szene gelang trotz widrigen Corona-Umständen und am 20.04. war auch den Berlinern klar, warum. Çağla Güleray begeisterte nicht nur durch ihre sagenhafte Stimme sondern überzeugte durch Performance, Spielfreude und Ausstrahlung, beschwor, gestikulierte, tanzte oder beherrschte den Synthesizer. Whoopender Bass, treibende Synthesizer und eine pulsierende Drumm-Maschine begleiten den apokalyptischen Gesang der Türkin. Fazit: Augen- und Ohrenschmaus pur !



Dann kam die Zeit für "The City Gates" aus Montréal und somit zum ersten Act, der 100 % handmade lieferte - kein Backing Tape, keine Maschinen, kein Laptop - schnörkelloser kanadischer Postpunk in seiner klassischen Reinform mit Schlagzeug, Bass und Gitarren. Auch gesanglich sind The City Gates breit aufgestellt und die Bandmitglieder wechselten nach Belieben den Leadsänger oder sangen zu zweit oder zu dritt. Mit im Set hatten "The City Gates" freilich ihren brandneuen Knaller "Lapidation", doch nicht nur dieser überzeugte bei diesem soliden Festival-Auftritt. Bis zum neuen Album müssen sich die Fans allerdings noch gedulden - dieses wurde erst für Ende 2024 angekündigt. Doch der sagenhafte Gig beim Dark Spring Festival dürfte die Vorfreude darauf steigern !




Nahtlos knüpften die "Golden Apes" mit handmade Postpunk an die Vorgängerband an, toppte diese jedoch noch um ein weiteres Bandmitglied und stellte somit den Act mit der nicht nur größten Bandbesetzung sondern der dienstältesten Band des Abends (gegründet 1998). Für die Berliner war dies gleichzeitig natürlich ein Heimspiel, bei welchem sie sich auf ihre eingeschworene Fanbase verlassen konnte. Gleichzeitig stellen die "Golden Apes" seit 2009 die Initiatoren und Veranstalter des Festivals. Die Gründungsmitglieder Peer (Gesang) und Christian (Bass) Lebrecht sind damals wie heute noch mit dabei und zeigten trotz Jahrzehnte im Business keinerlei Auflösungserscheinungen - im Gegenteil ! Die Golden Apes liefen auch an diesem Abend zu Höchstform auf und spannten ihr Repertoire von Beginn mit "14 Rivers" bis zum Ende mit "The Moment I fell". Den "Golden Apes" gilt besonderen Dank, die uns als Gastgeber dieses phantastische Festival überhaupt ermöglichen !




Zur späten Stunde, gegen 01 Uhr 15, bewiesen "Je t'aime" aus Frankreich, warum sie zum Top Act des Abends auserkoren wurden. Die drei Pariser brannten ein einstündiges Feuerwerk auf der Bühne ab mit einer Mischung aus Punk und Postpunk. Tall BastArt (Girarre), Crazy Z (Bass) und der unentwegt hyperaktive dBoy (Gesang) gingen von Null auf Hundert in die Vollen und starteten ihren Auftritt gleich zu Beginn mit den zwei Smash-Hits "Lonely Days" und "Give me more Kohl". Schon beim zweiten Song springt dBoy ins Publikum, etwas später wird der Mikroständer in Mitleidenschaft gezogen und muss von einem Crew-Mitglied repariert werden. "Je t'aime" stellt zweifellos den besten Frankreich-Import seit "Indochine" dar und bei "Kiss the Boys" genießt das Trio die lautstarke gesangliche Unterstützung der Fans beim Refrain. Hätten "Je t'aime" vor noch 30 Jahren diese Performance hingelegt - es wäre wohl kein Gast zumindest nicht ohne blutige Nase nach Hause gegangen. Doch im Jahr 2024 hatte sich um 2 Uhr bereits das LIDO halb geleert und die altersschwächelnde Mehrheit war bereits auf dem Heimweg. Sie haben das beste verpasst... !




Gegen 2 Uhr 30 endete 8 1/2 Stunden nach Einlass ein phantastisches Dark Spring Festival 2024 und entließ die verbliebenen Gäste in die kalte Kreuzberger Nacht. Ein rundum gelungener Abend mit sechs tollen Act ! Wir freuen uns auf 2025 und bedanken uns herzlich mit lieben Grüßen in die Bundeshauptstadt bei den Golden Apes für die unkomplizierte Zusammenarbeit ! Schon heute Abend wartet das nächste Highlight im LIDO auf: Unsere Lokalmatadoren von "Die Selektion" aus Stuttgart werden auf ihrer "Ascheregen" Tour Berlin aufmischen. Mehr Bilder des Abends könnt ihr hier anschauen.




Für Stuttgart Schwarz für Euch vor Ort: Jolly von Hayde.



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