Es gibt so manchen Club und Konzertsaal in Berlin, deren Geschichte ganze Bücher füllen könnten. Das „Metropol“, mitten im Regenbogenkiez und im Herzen Schönebergs zählt sicher dazu. Das pompöse Bauwerk fällt schon von weitem auf und erzählt Geschichten wie diese des ersten Konzertes von Depeche Mode, 1981, in Berlin zur „Speak and Spell“ Tour. Gastspiele von David Bowie, Tina Turner, OMD, Front 242, PIL, The Human League und vielen anderen Musiklegenden. Immer wieder gern gesehene Gäste waren u.a. Neil Tennant (Pet Shop Boys), Fish (Marillion), die Einstürzenden Neubauten oder die Ärzte.
Im Jahre 1906 erbaut, diente das Metropol lange als Konzert-, Theater- und Kinostätte des reichen und dekadenten Berliner Pomps und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Vorübergehend war das „Metropol“ gar die Heimat des hedonistischen „Kit Kat Clubs“.
Am 16.09. durften sich die „Chameleons“ in diese Geschichte einreihen. Nachdem das Berliner Konzert im LIDO letztes Jahr mit rund 550 Besuchern rasch ausverkauft war, entschied man sich dieses Mal für die rund 800 Menschen fassende Location am Nollendorfplatz.
Ganz ausverkauft war das Konzert dann nun nicht, doch parallel spielten in Berlin noch „Then comes Silence“ im Urban Spree. Ein Umstand, welcher dieselbe Zielgruppe vor eine schwere Entscheidung stellte. Umso schwerer, da für die „Chameleons“ mit „Bragolin“ ein ziemlich angesagter Support angekündigt war. Das niederländische Postpunk-Duo widmete ihren Bandnamen dem Maler Giovanni Bragolin, auf dessen weltberühmten Bildern von weinenden Jungen angeblich ein Fluch lastet.
Und kurz nach 20 Uhr enterten Maria Karssenberg (Synth., Key.) und Edwin van der Velde (Voc., Guit.) die Bühne im Metropol. Dieser Bühne schließt sich eine Kuppel dahinter an und macht diese somit so breit wie lang, erlaubt eine phantastische Lichtshow und Effekte, welche selbst in Berliner Clubs ihresgleichen sucht. Bei ihrem ersten Gig in Berlin wirkte das Duo alles andere als nervös und performte 40 Minuten lang vorwiegend songs aus ihrem Album „I saw nothing good so I left“. Von Song zu song kam mehr Bewegung in das anfangs noch lethargische Publikum, ebenso wurde der Applaus lauter und lauter. Offensichtlich wurden Bragolin erst an diesem Abend für viele Leute neu entdeckt, welche feststellten, dass es sich dabei um eine richtig gute Band handelt. Mit dem Clubhit „Into those Woods“ samt seinem eingängigen Baritonmelodie verabschiedeten Karssenberg und van der Velde das begeisterte Berliner Publikum und der Umbau für den Hauptact begann.
„The Chameleons“ wurden 1981 in Greater Manchaster (UK) gegründet und erlebte die Blütezeit des Indie-Gitarrenrock aus der Zeit, aus welcher auch „New Model Army“, „Element of Crime“ oder „The Mission“ stammen. Obwohl die „Chameleons“ zweifellos eine der einflussreichsten Vertreter des Postpunk gelten, schafften sie nicht den Aufstieg in Sphären wie „Bauhaus“ oder „The Sisters of Mercy“. Doch dieser Einfluss und der Kult-Status sorgten auch noch 43 Jahre nach der Gründung für ein volles „Metropol“ an diesem 15.September 2024.
Bis auf den 2017 verstorbenen Drummer John Lever trat die Band noch in Originalbesetzung auf und wurde schon beim Betreten der Bühne begeistert von den Fans gefeiert. Und mit „Mad Jack“ ging es dann auch gleich in die Vollen. Das letzte Album der Briten um Frontmann, Bassist und Sänger Mark Burgess liegt inzwischen mehr als 20 Jahre zurück. Für diesen Herbst wurde nun endlich ein neues Album angekündigt. Doch die Fans feierten ausgelassen die Klassiker wie „A Person isn’t safe anywhere these days“ oder „Swamp Thing“. Das Konzert erreichte mit „Monkeyland“ aus dem Jahr 1983 mit einer hüpfenden und mitsingenden Menge ihren Siedepunkt.
Drummer Brian Schofield und Keyboarder Dave Fielding platzierten sich weiter hinten in der Kuppel, so dass diese nur wenig wahrnehmbar waren. Der Fokus richtete sich auf Burgess, der alles andere außer gelangweilt auf der Bühne erschien. Burgess sprühte an seinem Bass vor Spielfreude, begleitet die Texte gestikulierend und zeigt sich vom anhaltenden und lauten Applaus zwischen den Songs sichtlich angetan. Mit „Ever after“ verabschieden sich die Briten nach rund 70 Minuten erstmals von der Bühne um wenige Minuten später den anhaltenden Zugabe-Forderungen der Fans zu folgen. Mit „Where are you“ stimmen die „Chameleons“ ihre brandneue Single, welche dieses Jahr prompt in die Top 10 der DAC einstieg, als erste Zugabe an bevor mit den Frühwerken „In Shreds“ und „Don’t fall“ nochmals ganz tief in die Mottenkiste gegriffen wird.
Dazwischen gab es noch das oft vom Publikum geforderte „Second Skin“, inklusive Bandvorstellung in einer ausladenden Version. Mark Burgess nimmt ein Bad im Publikum zwischen den Fans und feiert nun gemeinsam mit diesen, während der Rest der Band das Treiben von der Bühne aus beobachtet. Danach war dann auch Schluss. Ein Konzert mit zwei großartigen Bands und dem Prädikat „lohnenswert“ entließ seine Gäste in die Nacht und eine schwarze Meute begab sich auf den Weg des gegenüberliegenden Bahnhofs Nollendorfplatz.
Für Stuttgart Schwarz: Jolly von Hayde
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